Ein Bericht vom CCC - Courmayeur Champex Chamonix
21. Oktober 2011 von Jana Witzel (Kommentare: 1)
98 km rund um den Mont Blanc
Mein Bericht über meine erste Teilnahme am CCC. Der Name CCC benennt die drei Hauptorte, Courmayeur (Italien), Champex (Schweiz) und Chamonix (Frankreich), welche sich entlang der Laufstrecke befinden. Dieser Ultra-Trail führt rund um das Mont-Blanc Massiv. Es sind ca. 98 km zurückzulegen und 5600 Höhenmeter zu überwinden. Wäre das nicht schon alles genug – so kommen noch ständige Temperaturänderungen und Wetterwechsel hinzu.
Am 26igsten August ging’s los. Pünktlich um 10:00 Uhr starteten im italienischen Courmayeur fast 2000 Teilnehmer. Um einen Startplatz zu erhalten, musste ich mich bereits im Januar bewerben. Insgesamt werden beim CCC 1800 Plätze vergeben, weiterhin zusätzlich noch einige Charity-Startplätze. Eines schon vorweg, am Ende erreichten gerade einmal 1.590 Läufer und ich, das Ziel in Chamonix – drunter 28 weitere Teilnehmer aus Deutschland.
Zum CCC reisen Teilnehmer aus 42 Ländern an. Sie kommen aus Frankreich (da Ausrichter und somit die meisten Läufer), Dänemark, Lettland, Chile, Malaysia, Kambodscha, Finnland, Kanada, Japan, Österreich, Deutschland und viele andere mehr. Aus Deutschland meldeten sich insgesamt 37 Wagemutige an, darunter acht Frauen.
Zurück zum Start: Wegen eines Erdrutsches und des dadurch geänderten Streckenprofils erfolgte der Start in drei Wellen. Mir verpasste man die Nummer 6774 und wurde, das heißt, ich wurde mit der zweiten Welle, um 10.10 Uhr rausgespült. Mit 29 bis 30 Grad, war die Temperatur verdammt hoch! Doch für die kommende Nacht waren Regen/Gewitter und Kälte angekündigt. Ich dachte mir, das kann ja heiter werden: Es kam Kälte und Regen, diese Mixtur, brachte Gedanken des Aufgebens in mir hoch – doch ich habe mich schließlich hier angemeldet.
Gleich zu Beginn, kam mir zweimal der Gedanke aufzugeben
Der Weg führte aus der Stadt Courmayeur hinaus, empor einer steilen Serpentine, die mit vielen Steinen und Wurzeln versehen war. Weiter ging es hinauf zum Refuge Bertone, auf über 2500 Meter. Hier wurde die Luft knapp und die Temperatur von 29 Grad fühlte sich an, als würde ich durch die Sahara marschieren. Die Anstiege, der schwere Rucksack und die Hitze machten mir klar, dass man schon ein wenig Irre sein muss, um sich freiwillig solchen Strapazen auszusetzen und dafür noch zu zahlen.
Zuvor hatte ich bei meinen Läufen noch nie einen Rucksack verwendet. Aber die Pflichtausstattung mit mindestens einem Liter Wasser, einer langen Hose und langen Shirt, einer Regenjacke sowie Regenhose und zwei Lampen mit Ersatzbatterien, einem Cap, Handschuhen, Personalausweis, Handy u.v.m. machten den Ballast auf dem Rücken notwendig. 95 % der Läufer hatten Stöcke. Ich hatte mich kurz vor dem Start dagegen entschieden. Doch an den steilen Serpentinen hoch zum Refuge Bonatti, hätte ich diese gebraucht. Alle wedelten mit ihren Stöcken herum, das war total gruslig, tut ja auch weh, wenn man da einen abbekommt.
Irgendwie bekam ich auf einem steilen Anstieg Kreislaufprobleme und musste mich mindestens 3 Mal niederlassen, wenn auch nur kurz. Da dachte ich, das kann ja heiter werden, wenn das die ganze Zeit so geht, dann komme ich ja nie an. Da fiel mir spontan der Film ein - „Täglich grüßt das Murmeltier“ - Ich war die Gefangene hier in den Bergen, denn die Serpentinen nahmen und nahmen kein Ende, immer wieder wie eine Endlosschleife … das hört bestimmt nie auf…
Aber irgendwann war ich endlich oben. Belohnt wurde ich mit einem phantastischen Blick, ein außerordentliches Panorama auf den Mont Blanc – Ich war genau gegenüber – der Ausblick entschädigte mich für die gerade erfahrene Strapaze.
Als ich auf unwegsamen Gelände stütze
Nun ging es weiter über nicht mehr all so steile Anstiege abwärts vom Refuge Bertone, in Richtung Refuge Bonatti dort passierte und es passierte - ich übersah einen Stein und stürzte. "Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor" , nein ich lag und das der Länge nach - auf dem Boden. Super dachte ich, das war’s wohl. Im gleichen Atemzug kamen Mitstreiter die fragten: Can you help you… Aber ich war ok. Mit Schürfwunden am rechten Knie, am Kinn, und an den Handinnenflächen hatte ich noch mal Glück, denn ich hatte mich beim Fallen noch mit den Armen abstützen können. Mein Handy war mir beim Sturz aus der Hand gerutscht und suchte das Weite nach vorn, aber es ist zum Glück nicht den Abhang runtergerutscht und ganz geblieben. Ich klopfte den Dreck ab, checkte mich kurz durch und weiter ging’s. Ankommen war die Devise und nicht hier bei km 11 verweilen.
Äußerlich musste es mich wohl ein wenig erwischt haben, denn ich wurde oft gefragt ob es mir gut gehe und auch am nächsten Verpflegungsposten, fragte man mich, ob ich medizinischer Hilfe benötige. Ich lehnte dankend ab. Unterwegs hab ich dann die Wunden an einem kleinen Wasserfall abgespült, Diese Wasserfälle säumen fast den ganzen felsigen Streckenverlauf. Nach einiger Zeit, fing dann doch mein rechtes Bein und der rechte Arm zu schmerzten, aber es war noch auszuhalten. Am zweiten Tag sollte sich dann an meinem rechten Bein ein riesengroßer Bluterguss ausbreiten, aua.
An einer paradiesischen Verpflegungsstelle
Als ich in Champex-Lac so gegen 21:16 Uhr ankam, war ich überwältigt. Ich kam zur größten Verpflegungsstelle auf dieser Strecke. Bisher kannte ich nur Stille, Natur und Dunkelheit. Hier haben die Veranstalter ein riesiges Zelt aufgebaut – es war wohlig warm, es gab Speisen und Getränke jeglicher Art, Musik spielte - hier hätte ich es die ganze Nacht aushalten können. Ein Franzose forderte mich zum Tanz auf, ich lehnte dankend ab. Er hat sich’s dort wohl erst einmal gemütlich gemacht.
Ich habe mir Brühe mit Nudeln servieren lassen (war natürlich Selbtabholung) und Tee mit Zucker getrunken – uuh, das tat gut. Schokolade war auch im Angebot, da hab ich richtig zugegriffen, es war Vollmilch-Schokolade, die esse ich lieber als die Herbe. An den weiteren Verpflegungsstellen wurde dieser süße Energiebringer leider nicht mehr angeboten.
Weiter auf der Strecke, kurz nach Champex-Lac: Ich hatte mir bereits meine Regenjacke übergezogen, da es allmählich kühler wurde, die kurze Hose behielt ich jedoch an. Gegen 21:40 Uhr nahm das Übel seinen Lauf- Es fing an zu regnen, super - darauf hatte ich gewartet.
Es ging an einem See entlang – weg von Champex Lac hinaus in einen Wald, es war angenehm zu laufen, die Wege waren breit und nicht mit Steinen oder Wurzeln übersät. Der CCC musste wetterbedingt umgeleitet werden, so waren der Tete aux Vents, Cartogne und Bovine nicht mehr im Programm. Die Strecke verringerte sich somit auf 93 km. Die Umleitung von Bovine und Cartogne erfolgte ringsherum durch das Tal nach Martigny.
Es ging steinig, schlammig abwärts nach Martigny, einer kleinen Gemeinde. Von Champex Lac nach Martigny (original über Bovine) und von Martigny nach Trient, durch Wälder, die Wege gingen steil hinunter, es regnete und gewitterte, donnerte und blitzte – das war schon unheimlich und die Strecke erschien endlos.
Bein Laufen lies mich der Gedanke nicht los, dass ich bei einem Gewitter von Blitzen getroffen werden könnte. Doch die Organisatoren haben sich da schon Gedanken gemacht und hielten uns über jede Wettersituation per SMS up to date, Bei mir war leider etwas schief gelaufen, bei der Anmeldung – Ich bekam keine SMS.
Unterwegs mit einem 3er Team
Die Strecke zwischen Champex-Lac – Martigny - Trient - war eine echte Herausforderung. Ich hatte zu einem 3er-Grüppchen gefunden, ich lief ein paar Kilometer mit ihnen. Unterwegs fragten wir einen Posten, wie weit es noch bis Trient sei: Eine Stunde, hieß es. Unterwegs merkten wir, das diese Angabe sehr realitätsfremd war, denn wir erreichten die Stadt erst nach drei Stunden… na schönen Dank.
Der hatte wohl zu viel Louis de Funes – Filme gesehen, da fährt Louis mit dem Auto unter Missachtung aller Verkehrsregeln zum Strand, real vielleicht 35 Minuten, so nur noch fünf Minuten, er schrieb es auf das Schild "bis zum Strand – nur fünf Minuten". Aber vielleicht wollte er uns Läufer nicht entmutigen. Wir mussten uns immer wieder von einem Waldstück kommend über eine Straße kämpfen und wieder oberhalb durch ein nächstes Waldstück und wieder über eine Straße – der Weg war schien auch hier endlos zu sein. Vielleicht bezog sich die Aussage, eine Stunde, auf eine Fahrt mit dem Auto, ganz bestimmt.
Ich musste mich etwas ausruhen, ich trennte mich von der Gruppe. Erst in Vallorine traf ich einen dieser Läufer wieder. Er erzählte mir, sie hätten sich unterwegs verlaufen – nur gut, dass ich Ihnen nicht gefolgt bin.
Ich lief oder ich ging, je nach Gegebenheit. Um 04:11 Uhr kam ich in Trient an - da ging es wieder los – mir schossen die Gedanken durch den Kopf, das Ganze hier vorzeitig zu beenden. Hier war ich bereits ca. 18 Stunden unterwegs, müde und total durchgefroren.
Es hatte die ganze Nacht geregnet, gedonnert, geblitzt, es war stockduster. Ich hatte zwar eine Kopflampe, aber da sieht man nicht so viel. Durch den Regen waren Wege/Steine rutschig und verschlammt, ich konnte nur noch Gehen, wodurch ich langsam zu frieren begann.
Nur noch 25 Kilometer
In Trient angekommen: Hier habe ich dann trockene Sachen angezogen und weiter ging’s, es waren ja "nur noch" 25 Kilometer bis zum Ziel. Im Normalfall läuft man diese in 2–2,5 Stunden, aber hier musste ich ca. 5 bis 6 h einplanen. Die Luft war raus, mit Rennen war nicht mehr viel, aber ich wollte noch nicht aufgeben, es gab noch keinen ernsten Grund.
In Vallorine angekommen: Die Uhr zeigte 07:01. Hier waren es nur noch 14 km bis nach Chamonix. Meine Nachfrage, wie viel Zeit für die 14 Kilometer noch ca. benötigt wird, wurde mit drei Stunden beantwortet. Das baute meine Moral nicht unbedingt auf.
Da für diesen Lauf ein Zeitfenster von 26 h vorgesehen ist und ich 24 h oder auch ein bisschen darunter laufen wollte, musste ich mich nun sputen. Also ging es wieder über Stock und Stein, vorbei an einigen Kontrollstellen Richtung Chamonix. Das Ziel in greifbarer Nähe. Die letzten drei oder auch fünf Kilometer rannte ich förmlich. Ankommen, hatte jetzt oberste Priorität. Ich überholte ständig gehende Läufer und bekam dadurch wieder Motivation. Endlich konnte ich meine Füße auf festen Untergrund setzen, aah, welch eine Wohltat, keine Wurzeln oder Steine mehr.
Doch die Straßen nahmen auch kein Ende, eine Schleife nach der anderen. Als ich wieder auf zwei gehende Läufer traf, entschloss ich diese ein wenig zu begleiten. Nach kurzer Zeit sagte mir mein Körper, Du musst weiter laufen. Jetzt wollte ich nur noch eines, die Zielgerade sehen und endlich ankommen.
Dann endlich sah ich sie – die Zielgerade - ein Sprint mit voller Montur durchs Ziel und ich war endlich angekommen. Die Zuschauer jubelten und klatschen, der Sprecher kommentierte, es war super. Ich konnte in 23:49 finishen und war glücklich. Hätte mich während des Laufs oder auch kurz danach Jemand gefragt, ob ich mich für diesen Lauf oder Andere dieser Art noch einmal bewerbe, den hätte ich für verrückt erklärt.
Aber ein paar Tage später waren die Strapazen vergessen und ich überlege, ob ich nächstes Jahr den UTMB laufen werde…
Kommentare
Kommentar von Gerd Anacker | 13.06.2014
Hallo liebe Jana,
Ein toller Text, der noch heute aktueller denn je ist !
Kannst Du in den nächsten Tagen etwas von Dir hören lassen, z.B. wie es Dir geht ?
Herzliche Grüße Gerd
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